Peter Baracchi

Künstler / peterbaracchi.com

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©Peter Baracchi

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Projektbeschrieb
Projekttitel: «Die Möglichkeit einer Oppositionsbewegung»
In meinem temporären Atelier im Kornhausforum in Bern werde ich an kleinen Daumenskulpturen arbeiten, welche dann später zu übergrossen Betonfiguren werden.

Mein aktuelles Projekt bewegt sich an der Schnittstelle zwischen manuellem, traditionellem Handwerk und moderner, digitalisierter Automation und Massenproduktion.

Der Daumen galt einst als wichtigstes Körperglied des Menschen und als sein grösster Vorteil gegenüber den meisten anderen Tieren. Durch die Möglichkeit einer Oppositionsbewegung (eine Bewegung des Daumens, bei welcher er den anderen Fingern gegenübergestellt wird), ist der Daumen essentiell für das Greifen und das Benutzen von Werkzeugen.

Heutzutage spielt er allerdings oft nur noch als virtuelles Emoji in den Social Media eine Rolle. Industrialisierung, Globalisierung und Digitalisierung führten in doppeltem Sinn zum «Verlust» des Daumens: Einerseits haben sie das Handwerk und damit die ursprüngliche Funktion unserer Hände im Laufe der letzten Jahrhunderte weitgehend verdrängt. Andererseits ist es in der Tat so, dass früher in den «manuellen» Fabriken des Öfteren der eine oder andere Finger eines Arbeiters in den schweren Maschinen «abhanden» kam.

Die Formierung von Gewerkschaften zur Verbesserung der sozialen Situation der arbeitenden Bevölkerung während der Industrialisierung, könnte in diesem Zusammenhang wohl ebenfalls als «Oppositionsbewegung» bezeichnet werden.

Ausgehend von diesen Überlegungen arbeite ich aktuell an einem Kunstprojekt in Zusammenarbeit mit diversen Forschungseinrichtungen im Bereich des 3D-Betondruck und 3D-Scanning. Zuerst entstehen 1:1 Gipsmodelle des Daumens meiner rechten Hand, welche dann in unterschiedlichen Haltungen gescannt werden, um sie anschliessend mittels hoch-moderner, industrieller 3D-Betondrucktechnik als Skulptur reproduzieren zu lassen. Der 3D-Betondruck des Roboters ist sehr rudimentär und grob aufgelöst – er ist quasi «verpixelt» und nicht vergleichbar mit dem Erzeugnis eines traditionellen Bildhauers, welcher den Daumen wohl in höchster «Auflösung» aus Stein gemeisselt hätte.

Die Endform der Kunstinstallation steht aktuell noch nicht fest, da sie sich derzeit noch in einem experimentellen Stadium befindet. Mein Ziel wäre eine Rauminstallation mit diversen Skulpturen und eventuell 3D-Animationen. Die Arbeit ändert derzeit immer wieder ihre Form, da immer wieder neue Prototypen und neue Abgüsse und Drucke erstellt werden müssen.

Über

Seit meinem Studium in der Vertiefung Fotografie an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) beschäftige ich mich in meinem Werk als bildender Künstler hauptsächlich mit Alltagsphänomenen und drängenden Fragen unserer modernen, westlichen Konsumgesellschaft, die ich unter anderem in installativen und skulpturalen Werken zu reflektieren versuche.

Meist geschieht dies durch eine räumliche und materielle Dekontextualisierung. Obschon ich mich selber nicht als «klassischen» Konzeptkünstler in der Tradition der 60er-Jahre verstehe, so nimmt das Konzept in meiner Arbeit oft dennoch den wichtigsten und aufwändigsten Teil ein. Die Umsetzung des Konzeptes geschieht meist in Zusammenarbeit mit Fachpersonen aus der Industrie und der Privatwirtschaft, wobei sich die Materialität je nach Thematik laufend ändern kann. Mit Vorliebe arbeite ich mit kunstfremden Materialien um den Alltagsbezug zu verstärken.

Die Arbeit an einem Projekt oder an einer Thematik zieht sich dabei oft über Jahre hin. Dabei kann es durchaus sein, dass sich die Arbeit im Verlaufe der Zeit mehrmals ändert oder erweitert wird. Ein Projekt kann als Wandarbeit beginnen und nach mehreren Zwischenschritten am Schluss als multimediale Rauminstallation enden.

Da ich mich oft mit Fragen beschäftige, welche aus meiner Sicht eine allgemeine, gesellschaftliche Relevanz aufweisen, spielt auch Kunst im öffentlichen Raum immer wieder eine grosse Rolle, um die Auseinandersetzung mit meinem Werk nicht auf einen kleinen, exklusiven Zirkel zu beschränken, sondern auch die breite Bevölkerung damit zu konfrontieren.

Seit ca. drei Jahren bin ich nebst meiner Tätigkeit als bildender Künstler zusätzlich auch als Kurator und Organisator im nomadischen Off-Space «6 1/2» tätig, mit welchem wir zu dritt regelmässig temporäre, interdisziplinäre Kunst- und Kultur- interventionen in leerstehenden Industrieliegenschaften veranstalten.